Teilverkauf der eigenen Immobilie

Text: Verbraucherzentrale
Wer Geld braucht und eine Immobilie besitzt, der konnte sie schon immer als Sicherheit einsetzen, um besonders günstige Zinsen zu erhalten. Man spricht dann von einer Hypothek oder einem Hypothekendarlehen. Jetzt stellen wir fest: Unternehmen treten mit neuen, vermeintlich simpleren Angeboten an Verbraucher heran. So bieten etwa Wertfaktor und Engel & Völkers an, einen Teil der Immobilie zu kaufen und dafür schnell größere Geldbeträge zu zahlen. Bei Wertfaktor heißt das Verfahren "Immobilien-Teilverkauf", bei Engel & Völkers heißt es "Liquid Home".
Die Werbung verspricht: Kunden können online den Wert ihrer Immobilie einschätzen lassen. Sie bekommen also schnell konkrete Summen zu sehen. Die Unternehmen möchten "stille Teilhaber" werden – sich also bei der Immobilie sonst nicht groß einmischen. Sie schreiben von "maximaler Flexibilität und Sicherheit". Doch ist ein Teilverkauf tatsächlich ein attraktives Angebot – oder drohen Fallstricke?
Wer verkauft, soll künftig eine Art Miete zahlen
Erster, wichtiger Punkt: Wer einen Teil seiner Immobilie verkauft, der soll dafür an das Unternehmen ein "monatliches Nutzungsentgelt" (Wertfaktor) bzw. eine "monatliche Nutzungsgebühr" (Engel & Völkers) zahlen. Je größer der Anteil, den Sie verkaufen, ausfällt und je wertvoller die Immobilie ist, desto höher fällt dann auch dieses Entgelt aus. Wertfaktor rechnet zum Beispiel für eine Immobilie mit einem Gesamtwert von 500.000 Euro vor (die weiteren Daten stammen von den jeweiligen Internetseiten, abgerufen im Mai 2020): Wer 20 Prozent davon verkauft und 100.000 Euro ausgezahlt bekommt, der muss fortan monatlich 242 Euro zahlen. Nach 20 Jahren kämen dabei also 58.080 Euro zusammen. Bei Engel & Völkers ist der Betrag in etwa vergleichbar.
Das sind in dem Beispiel 2904 Euro oder 2,904% (bzw. 3% bei Engel & Völkers) des Auszahlungsbetrags pro Jahr. Ist das viel oder wenig? Man kann das Entgelt mit der Höhe einer Mietzahlung (jährliche Kaltmiete pro Quadratmeter) bezogen auf den Kaufpreis (pro Quadratmeter) vergleichen. Dann erhält man eine sogenannte Mietrendite. Diese schwankt bundesweit sehr stark. In einigen Gegenden liegt sie bei über 6 Prozent, in anderen bei unter 3 Prozent. Die Metropolen liegen da eher am unteren Ende um die 3 Prozent, weil hier die Miete in Relation gesetzt wird zu den jüngst deutlich gestiegenen Preisen.
Aber Achtung: Berücksichtigen müssten Sie bei solchen Vergleichen dann auch Kosten der Instandhaltung (mehr dazu siehe "Die Unternehmen beteiligen sich nicht an weiteren Kosten" unten). Denn eigentlich trägt die bei Mietern komplett der Vermieter. Die Unternehmen, die Teile Ihrer Immobilie kaufen, drehen den Spieß aber rum: Hier sollen Sie als Teil-Eigner der Immobilie eine Miete zahlen und die kompletten Kosten für Investitionen bzw. Instandhaltungen tragen.
Wer seine Immobilie später komplett verkauft, zahlt zusätzliche Gebühren
Besitzen Sie nicht mehr die komplette Immobilie, weil Sie einen Teil verkauft haben, wird auch diese Konstellation interessant: Was passiert, wenn Sie die Immobilie komplett an einen Dritten verkaufen möchten? Wertfaktor sieht hier zwar vor, dass Sie am Verkaufserlös nach Ihrem verbliebenen Anteil beteiligt werden. Wer also zum Beispiel 20 Prozent an Wertfaktor verkauft hatte, der bekäme bei einem späteren, kompletten Verkauf auch 80 Prozent des Erlöses.
Aber: Bei Wertfaktor kann ein weiteres Entgelt auf Sie zukommen. Wird die Immobilie aus unserem Beispiel, die zu 20 Prozent Wertfaktor gehört, später für insgesamt 700.000 Euro verkauft, rechnet Wertfaktor mit einem "Durchführungsentgelt" von 6,5% des Verkaufspreises, was 45.500 Euro entspricht. Bei Engel & Völkers soll statt eines Durchführungsentgelts eine "Abwicklungsvergütung" von 5,5% des Verkaufspreises anfallen.
Für die einmal erhaltene Wunschauszahlung von 100.000 Euro (20 Prozent des Wertes bei Teilverkauf) vereinnahmt Wertfaktor in unserem Beispiel nach 20 Jahren also insgesamt 243.580 Euro (Nutzungsentgelt 58.080 Euro, Durchführungsentgelt 45.500 Euro, anteiliger Verkaufspreis 20% von 700.000 = 140.000 Euro). Das sollten Sie sich als Kosten des Deals von vorne herein bewusst machen.
Achtung: Wertfaktor sichert sich sogar gegen Wertverlust der Immobilie ab. Werde die Immobilie später komplett verkauft, schreibt der Anbieter in aktuelle Verträge, bekomme er mindestens sein investiertes Geld sowie 17% Nebenkosten als "Minimumanteil" zurück.
Auszuzahlende Summe und Anteil an der Immobilie bleiben beschränkt
Weder Wertfaktor noch Engels & Völker gewähren völlig freie Hand beim Teilverkauf. Sie dürfen keine Anteile an das Unternehmen verkaufen, die weniger als 100.000 Euro wert sind. Außerdem können Sie höchstens 50 Prozent Ihrer Immobilie verkaufen. Den Immobilienwert ermittelt jeweils ein Gutachter im Auftrag des Anbieters.
Die Unternehmen beteiligen sich nicht an weiteren Kosten
Keine Immobilie wird auf Dauer ohne Investitionen auskommen. Ob es um Reparaturen geht oder gar darum, den Wert der Immobilie mit Modernisierungen zu steigern – die Unternehmen wollen sich an solchen Kosten nicht beteiligen. Haben Sie also z.B. 50 Prozent der Immobilie verkauft, müssten Sie für eine neue Heizungsanlage, Dämmung, Dachreparatur oder ähnliches dennoch die volle Summe selbst bezahlen.
Behalten Sie dabei auch im Hinterkopf: Sie erhalten oder steigern mit solchen Maßnahmen auch für Ihren Vertragspartner den Wert der Immobilie. Wer große Summen in die Modernisierung steckt und die Immobilie dann verkauft, profitiert nicht allein von dem höheren Verkaufspreis, sondern gibt auch von den höheren Erlösen Anteile an die Unternehmen ab. Ob das fair ist, ist vermutlich Ansichtssache. Üblich bei geteiltem Immobilieneigentum ist, das kennt jeder Eigentümer von Wohnungen in Mehrparteienhäusern, dass alle Kosten nach Eigentumsanteilen aufgeteilt werden. Das ist hier nicht der Fall: Instandhaltungskosten und Verkaufskosten gehen ausschließlich zu Ihren Lasten.
Genau rechnen: Ein Kredit kann sehr viel attraktiver sein
Alles das im Hinterkopf, können Sie die Zinssätze für herkömmliche Bankdarlehen betrachten. Wenn Sie sich bei Ihrer Bank Geld in Höhe von bis zu 50% des Immobilienwertes leihen, dann sind je nach Bonität Top-Konditionen möglich. Aktuell liegt der Zinssatz hier für eine zehnjährige Zinsfestschreibung sogar unter 1 Prozent pro Jahr. Gegenüber einem Nutzungsentgelt von fast 3 Prozent pro Jahr im oben beschriebenen Beispiel kann das ein sehr viel besseres Geschäft sein.
Würden Sie zwanzig Jahre lang lediglich Zinsen in Höhe von 1% für das Darlehen von 100.000 Euro bezahlen, dann zahlen Sie in diesem Zeitraum Zinsen über 20.000 Euro sowie die Darlehenssumme von 100.000 Euro an die Bank. Das ist die Hälfte dessen, was Sie beim Teilverkauf im Beispiel oben zu entrichten hätten. Bei einem Darlehen behalten Sie außerdem das volle Eigentum, mit der vollen Chance auf Wertsteigerungen (zugegeben: aber auch dem vollen Risiko von Wertverlusten).
Der Zins ist immer ein individueller Preis und er ist Verhandlungssache. Wer selbstständig ist oder ein hohes Alter erreicht hat, muss damit rechnen, Darlehen nur zu höheren Zinsen zu erhalten. Falls man Ihnen einredet, dass Sie keine Chancen hätten auf ein zinsgünstiges Darlehen, dann raten wir Ihnen, sich bei verschiedenen Anbietern umzuhören. Entscheidend sind nicht Alter oder Selbstständigkeit, sondern die finanzielle Situation insgesamt und - noch wichtiger - die Geschäftspolitik des jeweiligen Kreditinstituts.
Wollen Sie oder Erben zurückkaufen, braucht es wieder einen Gutachter
Möchten Sie oder Ihre Erben wieder die volle Immobilie besitzen, können Sie an Wertfaktor / Engel & Völkers herantreten. Sie müssen sich aber über den Preis einig werden. Gegebenenfalls müsste wieder einen Gutachter beauftragt werden, um den dann aktuellen Wert einzuschätzen. Sind die Immobilienpreise also gestiegen, kann es sein, dass Sie eine deutlich höhere Summe zurückzahlen müssen.
Nutzen der neuen Angebote bleibt fraglich
Angesichts dieser Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, unter welchen Umständen ein Teilverkauf überhaupt vorteilhaft sein könnte. Möglicherweise dann, wenn man sehr starke Wertverluste der Immobilie unterstellt (wobei dann ein kompletter Verkauf die bessere Entscheidung wäre). Denkbar wäre auch, dass die Darlehenszinsen, die Ihnen Banken für Ihre konkrete Situation anbieten, weitaus höher sind als die hier allgemein für Immobiliendarlehen üblichen Zinsen von rund 1% pro Jahr.
Auch die vermeintlich simplere Lösung für ältere Menschen ist kein Argument: So wie Sie das aus dem Teilverkauf erhaltene Geld nicht an den Käufer zurückzahlen müssen, müssen Sie auch ein Darlehen nicht unbedingt zu Lebzeiten an Ihre Bank zurückzahlen.
Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, Ihre Immobilie zum Teil zu verkaufen, lassen Sie sich stets konkrete Vertragsangebote geben. Die hier genannten Zahlen sind lediglich den Internetauftritten der Anbieter entnommen.
Zur Immobilienfinanzierung bekommen Sie übrigens unabhängige Beratung bei Ihrer Verbraucherzentrale. Zu einem solchen Termin können Sie auch konkrete Angebote mitbringen, durchrechnen lassen und sich Vor- und Nachteile schildern lassen.